Von diesem Tag, dem 14. Tag des 4 Mondlaufes, im ersten Jahr der Dämmerung, will ich wahr und richtig verkünden, was geschehen ist. Vor den Augen des Gottes schwöre ich, vor den Ohren des Hohepriesters erkläre ich, und für unser Volk bezeuge ich, dass dies Zeugnis wahr ist. Dreimal habe ich geschworen, dreimal wurde es bezeugt. Vernehmt nun diesen denkwürdigen Tag, sodass wir auch in schattenlosen Tagen davon Kenntnis haben, welche Bedeutung diesem Tag zukommt.
Alle waren gekommen, Alt und Jung, Mineure und Krieger, Fischer und Kultivatoren, Scholaren und Priester. Alle aus dem Volk der Sel’Verain waren zusammengerufen worden. Vor den Stufen des Stufentempels, auf dem Platz der Zusammenkunft, waren sie zusammengekommen und zahllose Lampen tauchten die Versammlung in ein geisterhaftes, bläuliches Licht. Die Mondsichel, das Licht des Neubeginns, stand bereits hoch am Himmel, als der Hohepriester, zusammen mit den anderen Priestern, aus dem Tempel am Gipfel der Stufen hervorkam, in einer langen Prozession. Silbern schimmerte der Ornat der Priester, und das fahle Licht der Lampen und des Mondes brach sich im Onyx am Stab des Hohepriesters.
Hohepriester Selverin
Stille senkte sich über die Zusammenkunft und nach einer Weile begann der Hohepriester zu sprechen: „Eine Zeit des Aufbruchs ist gekommen. Lange haben wir im Schatten des Gottes verbracht, um seine Worte zu vernehmen und sein Orakel zu befragen. In der Dunkelheit haben wir sein Wort vernommen, und so werden wir sein Wort an euch weitergeben. So hat er uns geboten, dass Wir euch folgendes aus dem Buch des Urvaters anvertrauen, denn auch dort ist ein Aufbruch beschrieben:
„Tag 14 nach dem Aufbruch aus Tol Emac. Meine Reise hat mich zu einer merkwürdigen Gruppe von Reisenden geführt, die sich selbst als ‚Abenteurer‘ beschreiben. Ich habe mich dieser Gruppe angeschlossen, um mehr über die verschiedenen Wesen in der Welt zu lernen. Mitglieder der Gruppe sind eine Ork-Priesterin, deren geistige Kapazität vom Verzehr verschiedener Pilze vernebelt wird, ein Ratling mit einem Hang zur Selbstverstümmelung, eine Hexe mit Verbindungen zu Geistern und einer naiven jungen Gestaltwandlerin namens Clara. Die restlichen Namen werde ich bei Gelegenheit nachtragen, da sie mir nicht im Gedächtnis geblieben sind.“
„Dies sind die Worte des Urvaters, als er noch unter den sterblichen Wesen dieser Welt weilte“ sprach der Hohepriester Selverin zu den versammelten Priestern und Zuhörern. „Seine Worte haben die Zeit überdauert, und nun, da die Toli Asceni wieder aus der Asche auftauchen, müssen auch wir uns bereit machen zu ergründen, was jenseits unseres Tals liegt. Denn der Gott der Schatten, der einst auch den Urahn geleitet hat, hat uns geboten, allen Völkern seine Schatten zu bringen. Nur wenn wir die Kinder der Asche unter seinem Schatten vereinen, wird er erneut zu uns sprechen und uns mit seinen Gaben segnen!“ Diesen Worten folgte das zustimmende Nicken der versammelten Sel’Verain, die im Schatten Tol Selans, dem hohem Stufentempel, den Worten ihres erhabenen Anführers und Hohepriester lauschten. Sein Wille war das Gesetz, und niemand in Tol Emac würde es wagen, diese Worte anzuzweifeln oder zu missachten.
„Eine neue Zeit bricht an“ fuhr der Hohepriester fort. „Wir werden mit der Erkundung der bislang in Asche gehüllten Lande beginnen, und Wir ernennen Za’al zu Unserem Botschafter. Lange Zeit hat er die Krieger als Kriegsherr angeführt, lange Zeit haben die Krieger unseres Volkes auf einen Feind gewartet, um ihre Kriegskünste zu ehren. So gebieten Wir euch, tapfere Krieger der Sel’Verain, und dir, Za’al – beginnt mit der Suche jenseits unserer Behausungen, bringt uns Kunde von allen Kreaturen, die die Asche preisgibt. Wir werden ihren Wert bemessen, ob sie Wert in den Augen des Gottes der Schatten besitzen oder nicht. Die ohne Wert werden ausgelöscht, und die Würdigen unter ihnen sollen uns Vasallen sein. So gebieten Wir euch vor den Augen des Gottes Zahesh Cuhír, so gebieten Wir euch im Angesicht des Urvaters Selverin, und so gebieten Wir es euch vor den Augen der Sel‘Verain. Dreimal haben Wir es euch befohlen, und dreimal ist unser Wort bezeugt worden.“ „Dreimal haben wir Euer Wort gehört, und dreimal sollen wir bezeugen, dass es Euer Wille ist!“ Dieser Ruf drang aus den Kehlen der Versammelten, und war noch weit jenseits des Stufentempels zu hören. Aufgeschreckt von diesem Ruf stiegen zahllose bunte Schwärme aus den Bäumen des Dschungels auf, Vögel und andere Wesen flohen vor der Gewalt dieses Schwurs.
Das Echo war noch nicht lange verklungen, da sprach der Hohepriester erneut: „Der Weg ist bestimmt, der Schwur gesprochen und bezeugt. Wir werden nun Za’al und seine Krieger mit dem Schatten von Zahesh Cuhír umhüllen, damit der Gott ihnen Kraft, Gelingen und Richtung für ihr Unterfangen gibt. Tritt in unsere Mitte, Za’al, und empfange im Namen deiner Krieger den Cuhír Z’hain, seinen Schatten und seinen Segen.“ Za’al, Kriegsherr und Meister der Zwei Klingen, dessen schwarze Schuppen bereits an einigen Stellen das Grau des Alters zeigten, kam aus der Menge hervor. Trotz der Jahre war jede Faser seines Körpers gestählt, jede Bewegung ließ Jahre von Training und Kriegskunst erahnen. Den ganzen Oberkörper gestreckt, der lange Schlangenkörper in einer Bahn hinter sich ausgelegt, warf Za’al sich flach vor dem Hohepriester auf den Boden des Stufentempels und sprach: „Hier ist der, den Ihr gerufen habt. Euer Diener ist bereit, Euer Wort zu erfüllen und Seinen erhabenen Schleier zu empfangen!“ „Erhebe dich, Sohn der Sel’Verain, Meister der Zwei Klingen und der Kriegskunst unseres Volkes! Wir, die Wir den Namen des Urvaters tragen, und die Wir im Namen des Gottes Zahesh Cuhír sprechen, geben dir seinen Schleier, den Cuhír Z’hain, auf deine Mission, dass du nicht fehlgeleitet wirst und unseren Willen ausführst.“
Dann sprach der Hohepriester die Geweihten Wort, die in dieser Chronik nicht niedergeschrieben werden sollen, denn so will es das Gesetzt. Nur die Priester des Gottes kennen diese Worte, und nur die Priester dürfen sie niederschreiben, dass sie für die Generationen bewahrt werden. Diese Chronik mag eines Tages von anderen gelesen werden, ob diese Wesen aber begreifen können, was geschrieben steht, mag bezweifelt werden.
Nach den Worten des Cuhír Z’hain sprach der Hohepriester erneut zu allen, die am Fuß des Stufentempels versammelt waren: „Der Tag des Abschieds für unsere Krieger ist nah. Um sie zu ehren und unsere Dankbarkeit zu zeigen, soll es ein großes Fest geben. Es wird beginnen zum Aufstieg der Sonne, wenn diese Nacht vergangen ist, und soll nicht enden, bis nicht der Mond des Neubeginns zweimal über den Zenit Tol Selans gestiegen ist. Am 17. Tag sollen dann die Krieger ausziehen, und unseren Willen erfüllen.“
Und sogleich begann das Fest, das als Fest des Neubeginns jedes Jahr gefeiert werden soll, und wie vom Hohepriester verfügt drei Tage dauern soll. An diesen Tagen ruhe jede Hand, und preise den Namen Sel’Verains, Hohepriester des Gottes Zahesh Cuhír, und erinnere sich an seinen Auftrag. Mögen die Schatten länger werden, und die Welt in seinen Schleier gehüllt werden!
Gezeichnet:
Col’Hoex, Meister der Bücher und Bewahrer des Wissens für die Sel’Verain.