Der Narrenspiegel – Das Vne Thall, Ausgabe 3 im 10. Mondlauf

Eine satirisches Aufarbeitung des Buches der Zeit für alle, welche die Welt, das Leben und sich selbst nicht allzu ernst nehmen.

verfasst von Gaukulus Irrwitz,
seines Zeichens spitzzüngiger Klamauksammler
und Prophet der ergötzlichen Narretei

Willkommen, werte Liebhaber der Gaukelei!
Kurz und bündig – meine Wenigkeit bedarf inzwischen wohl kaum noch einer Vorstellung. Doch das neue Buch der Zeit bedarf einer humorvollen Rezension wie mir scheint. Da meine Schreiben jedoch bislang so viel Raum in den Nachrichtenblättern einnahmen, möchte ich mich künftig wahrlich kürzer fassen. Zudem gelüstet es mich nach Reisen, um so manchem höchst persönlich den Narrenspiegel vorzuhalten und auch höchst persönlich die selbstredend unverdiente Ohrfeige einzuheimsen. Denn ihr alle wisst, ich tu dies nicht aus bösem Willen, sondern um euch für einige Augenblicke von der Last der unerträglichen Schwermut zu erlösen und die Welt ein wenig wach zu rütteln, sie auf den Kopf zu stellen und zu schauen, wie sich vielleicht dadurch ihre Perspektive verändert. Also, viel Freude wünsche ich allen beim folgenden literarischen Kopfstand.

Die Götter müssen verrückt sein
Der Aschenebel gebiert Kreaturen in wildesten Formen ohne Sinn und Verstand! Karten tauchen auf, die lügen wie ein billiger Jahrmarktzauberer! Ist es Magie, Wahnsinn, oder einfach das Werk eines gelangweilten Schöpfers? Während Hjel’Raan sich mal wieder eins zusammenspekuliert, sage ich Euch ganz klar und deutlich: Die Welt schert sich nicht drum, was wir wissen wollen oder für ordentlich und sinnvoll erachten, sondern macht sich einen Jux aus unseren kleingeistigen Plänen – Berge wandern, Flüsse flüchten, und wir taumeln in Nebelschwaden von Fragen über Fragen. Wäre ich ein Gott, ich würde es genauso handhaben. Einfach köstlich…

Enttäuschung mal wörtlich genommen
Hjel’Raan, der wackere wenn auch etwas naive Philosoph, der gerade das kollektive Gedächtnis erfinden wollte, wird hier von den Wachhunden des letzten Ethnarchen mit Schaum vor dem Mund zerfetzt! Erinnerungen? Alles Täuschung! Unterbewusste Bande? Alles Zufall! Hier bleibt kein Stein auf dem andern und so gehört sich das auch. Die Urheber dieses brüskierten Schreibens zerlegen die Thesen des geistigen Pioniers wie der von ihnen angebetete Verfall die gesamte Welt. Wenn das Ganze nicht so bitterernst geschrieben wäre, hätte ich mich prächtigst amüsiert.

Wer hat hier ‘nen Schatten?
Das fragen sich jedenfalls die Jünger des Zahesh Cuhír. Und deshalb verkündet der Hohepriester Selverin einen Aufbruch in die weite Welt, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. Doch statt wahrer Weisheit gibt es vor der Expedition erstmal nur leere Rituale und Wiederholungen und natürlich ein Fest, das dreimal länger dauert als nötig. Dann noch schnell eine kleine Lektüre aus dem Tagebuch eines vermutlichen Tollhausflüchtlings und seiner durchgeknallten Kompanie von selbstverstümmelnden, geistersehenden Giftpilzfressern und schon geht’s hinaus in die Ferne, um zu prüfen, wer sich beim Schattenboxen beweisen kann.

Königliches Fischfutter
Der alte König Valdru hielt das Meer für gefährlich und unheimlich. Glücklicherweise half der gute Haema ihm, die Angst zu überwinden – mit einem ganz individuellen, dauerhaften Meerblick… von unten. Seitdem sind die Awhari außer Rand und Band wie eine Horde wilder Kinder, die endlich den alten Sack los sind, der ihnen immer ihr Spiel verderben will. Das kann ich nur allzu gut verstehen und pflichte ihnen bei: Vorsicht ist was für Anfänger! Den Tollkühnen die Zukunft, Hurra!

Wer kein Brot backen kann, der backe Sandkuchen
So oder so ähnlich scheint man zumindest im Ältestenrat der sandigen Sandalen zu denken. Ein „Dichterkrieger“ beschwert sich über die Last der armen Stämme, während die Ältesten in ihren goldenen Hallen das Wehklagen als billiges Theater abtun. Die Wüste hungert, die Hauptstadt schmatzt – und der Rat hat mal wieder eine große Leistung vollbracht: den unbequemen Redner zum Schweigen zu bringen. So stellt man sich doch Völkerverständigung auf Augenhöhe vor. Glücklicherweise folgt sogleich ein Bericht von Arinai’Tor: Er handelt von der Entdeckung einer „wandelnden“ Siedlung, die uns lehrt, wie man den Wind als Gott verehrt und Zelte auf Wanderung schickt. Vielleicht hätte man auch einfach verraten können, dass es sich hier einfach um ausgesprochen faule Nomaden handelt, die lieber in der Hängematte liegen und die Wüste selbst die Arbeit machen lassen, was ich persönlich zugegebener Maßen für äußerst sympathisch halte. Doch schon jagt ein Bericht den anderen: Eine unfassbar glorreiche Entdeckung muss kund getan werden: Es ist ein… Baum… ja, ein Baum… Verzeiht mir, wenn ich keine Worte finde, um der Skurrilität dieser Geschichte etwas hinzuzufügen. Unterdessen trifft Thul’Vara auf einen alten Mann mit unendlich viel Sand im Gewand – wahrlich der Albtraum jedes Straßenkehrers! Abgerundet wird der Reigen aus dem Land des Sandes von Tänzerinnen, die Winde beschwören, göttliche Regeln brechen und zu Windteufeln werden. Fazit: Ob göttlicher Zorn oder irdischer Jubel, ein Tänzchen ist und bleibt das beste Mittel gegen langweilige Wüstentage, und ganz nebenbei kann man so auch die Lösung eines Rätsels verstecken. Schelmisch, schelmisch.

Der Berg furzt
Ein Rudel abenteuerlustiger Eiszipfelzwerge kriecht einem alten Berg in den Allerwertesten, um vermutlich in seinen Eingeweiden nach uralten Hinterlassenschaften zu forschen. Man fragt sich, ob die dicke Luft und das plötzliche Dröhnen ein Anlass für eine spontane Kehrtwende sein sollten. Doch sowas bringt einen hartgesottenen Arschologen, äh… Archäologen nicht aus der Fassung. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Was es tatsächlich zu gewinnen gibt, bleibt leider offen, und uns bleibt nichts weiter als die Hoffnung auf einen baldigen Wurmfortsatz dieser Geschichte.

Neuer Quatsch von den Quitsch
Unardegg, Cwtchaf der Cwtch aus dem Land Llwyn, möchte uns vor den Nebelwesen warnen, als ob wir nicht wüssten, dass diese inzwischen zum festen Bestandteil unserer Abendspaziergänge geworden sind. Doch es gibt durchaus neue Erkenntnisse: Wer hätte gedacht, dass sich diese grausligen Schattenkreaturen so lang, detailliert und unterhaltsam durch die Zeilen einer Geschichte schlängeln können? Für mein fröhliches Gemüt hätte der Bericht etwas mehr Sonnenschein und weniger Spuk vertragen können. Oder vielleicht ein paar Tipps, wie man sich aus der Nebelsuppe wieder befreit, wenn man hineingerät. Aber sei’s drum: Auch wer hinterm Wald lebt, sollte die Warnung jetzt vernommen haben, und eine weitere Lagerfeuergeschichte im Repertoire schadet bekanntlich nie.

Gift und Galle für alle!
Bolbi Bitterberg berichtet den neuesten Abenteurertratsch: Ein Bier-Skandal, bei dem ein Zwerg und ein Elf mehr Chaos anrichten als die Schmuggler, die aus unerklärlichen Gründen ihre eigene Handelsware vergiften. Der wahre Held ist wohl der Wirt, der es geschafft hat, das Drama mit Freigetränken zu überstehen, während die beiden Streithähne weiterhin um ihre Ehre ringen. Und die Moral? Hm, vielleicht, dass Zusammenarbeit am besten funktioniert, wenn man sich gegenseitig beleidigen und aus Versehen angreifen kann. Prosit!

Flammende Rede oder doch nur heiße Luft?
Der Bund des Heiligen Blutes gibt einen Aufruf zur Rückkehr zu Vnelyras Gnade zum Besten – leider etwas zu dramatisch! Aber keine Sorge, schließlich wissen wir alle, dass nichts „wahre Führungsqualität“ so sehr zeigt wie ein bisschen Xenophobie und eine ganze Menge schäumender Empörung! Während der Schreiberling in brennender Leidenschaft ausgiebig über „unwürdige“ Herrscher herzieht, fragt man sich doch irgendwann: Wo bleibt der Zunder für das eigentliche Feuer? Vielleicht wäre ein kleiner Kurs in Achtsamkeit und Gelassenheit hier ein guter Anfang? Oder eine Recherche, die ein paar stichfeste Pro-Argumente für die eigene Haltung zutage fördert? Aber was weiß ich schon, ich dummer Narr?

Totenboot für Botentod und neues Waffengeklimper
Der Jarnfjordbodet bringt uns mal wieder Nachrichten vom Askenfolk. Unter anderem von einem verschollenen Boten, der wohl nach seinem Ableben mehr auf seinem Bötchen umher schippern durfte als zu Lebzeiten. Zudem darf er jetzt in eine der Jenseitsstädte des Askenfolks einziehen. Alles in allem hat unser armer Bote wohl das Beste aus seiner misslungenen Mission gemacht. Man könnte fast neidisch werden, weil man selbst noch am Leben ist. Anbei, wie für Zeitschriften eben üblich, die Werbung. Ein Prospekt für Waffen, die mehr als einfach nur Waffen sind: Werkzeug, Statussymbol, Lebensgefühl. Tauche ein in die wundervolle Welt der Schmiedekunst. Denn mit diesen nagelneuen Waffen kannst auch Du morgen schon ein echter Aske sein!

Hirschragout mit Nachgeschmack
Ach, welch erhabenes Festmahl ward uns kundgetan! Der König, dessen Appetit offenbar so groß wie sein Königreich ist, lässt nun gar die seltenen Eishirsche für sein Bankett jagen. Ein Wesen, dessen leuchtendes Geweih einst Hoffnung und Balance versprach, liegt nun wohl gewürzt auf dem königlichen Esstisch – wahrlich, ein Meisterwerk der Geschmacklosigkeit! Und während sich der Monarch der Eiszwerge an göttlichem Wildbret labt, lässt der Hunger die Mägen seiner Untertanen knurren. Ein kleiner Rat: Man kann die Kraft des Winters nicht verschlingen, wohl aber die Gunst und Geduld seines Volkes. Mahlzeit, Majestät!

Wilder Wörterwald
Der werte Prof. Dr. Habitus hat uns erneut ein wahres Meisterwerk der sprachlichen Akrobatik beschert! Die Cwtsh, diese charmanten Kreaturen, verdienen gewiss eine solche Ehrung, doch diese „transmaterielle Genese“ klingt eher wie ein Hexentrank aus Pseudowissenschaft und übermäßiger Verklausulierung. Auch frage ich mich, ob sich die pelzigen Studienobjekte ganz freiwillig von einem neugierigen Fatzke in die Unterhose spickeln lassen. Oder was ein Cwtsh sich denkt, wenn er diese Studie über sich selbst liest. Was mich aber noch viel brennender interessieren würde, wäre, wie eine wissenschaftliche Studie aus der Feder eines Cwtsh über einen fremdwörterverliebten Ethnologen im Wald aussehen würde. Allein bei dem Gedanken könnte ich mich bereits kringelig lachen. Also, werter Professor: “Cwtsh pro quo” wie man so schön sagt. Ich freue mich jedenfalls schon auf diese unterhaltsame Gegendarstellung.

Regenbogenpresse für das Askenfolk
Freie Meinungsäußerung oder frei erfundene Geschichten? Hier wird jedenfalls alles aufgetischt, worüber der Jarnfjordbodet nicht schreiben will, der von Zensur nur so überschwemmt wird, wenn man diesem Schreiben glaubt. Denn dort wird offenbar alles schöngeschrieben, von Berichten zur Innen- und Außenpolitik über wirtschaftliche bis hin zu religiösen Thematiken. Doch hier bleibt nichts unverhüllt, nicht einmal das geheime Liebesleben der Gildenvorsteherin mit einem maskierten, seefahrenden Riesentroll aus der Wüste im Westen, der das halbe Askenfolk als Deeskalationsmaßnahme bei einem Aufstand platt gehauen hat… oder so ähnlich. Ein wahres Füllhorn für das nach Skandalen lechzende Tavernenpublikum. Ich bin gespannt wie viele Körnchen Wahrheit in diesem Treibsand der Spekulationen auftauchen werden.

Undichter Dichter?
Was ist denn hier los? Der werte Firon Yitharin wurde offenbar gänzlich ausgenüchtert! Kaum wird der Nebel weniger dicht, schon ist der uns allen bekannte Reimeklopfer nicht nur weniger benebelt, sondern dichtet auch nicht mehr. Oder er ist einfach genau wie der Nebel nicht mehr ganz dicht und deshalb sprudeln die Worte ohne Reim und Versmaß einfach so aus ihm heraus. Dennoch unverkennbar bleibt niemand anderes der Urheber dieses Schreibens: Diese Melange aus Poesie, Pathos, Euphorie und Schmalz – ja, das ist unser guter alter Firon, wie wir ihn kennen und lieben. Und dieses Mal treibt er es wirklich bunt. Gerade habe ich mich noch darüber mokiert, dass jemand einen Baum als große Entdeckung angepriesen hat… und prompt wird entdeckt, dass der Himmel blau ist… einfach unübertrefflich!

Der Rest vom Fest
Das Finale dieser Ausgabe vom Buch der Zeit bilden drei weitere Bekannte. Als erstes eine weitere hervorragende satirische Glanzleistung vom in allen Ländern Darshivas beliebtesten Schreiberling… Hust, hust… puuh, hier stinkt’s ganz schön. Wenn das mal nicht das ungerechtfertigte Eigenlob ist, welches ich mir gerade nicht verkneifen konnte. O Narrenspieglein in der Hand, wer ist der größte Narr im Land? Wenn nicht dein Autor, so möchte ich mir nicht anmaßen, einen anderen zu wählen. Sind wir am Ende nicht alle nur Narren, die sich mit anderen Berufen verkleidet haben? Jedenfalls hoffe ich, dass alle dies so sehen können, während sie meine Zeilen lesen. Wenn dann die Hirnwindungen mit meinem Sermon ordentlich durchgespült wurden, ist man direkt bereit für den zweiten Teil der Königsdisziplin in Selbstbeschäftigung. Erneut darf hier jeder Möchtegernmonarch sein Krönchen zurechtrücken, damit ihm niemand zu nahe und am Ende womöglich noch auf die Füße tritt. Abgerundet wird das Ganze dann von einem neuen Gemälde unseres fantasierenden Dauerpinselschwingers Güldenhaag. Keine Leinwand ist vor ihm sicher. Und wenn er kein Motiv hat, klaubt er sich eben einfach eines aus den Geschichten anderer zusammen und füllt die Lücken mit künstlerischer Freiheit. Waidfried, du altes Schlitzohr.

Noch ein Wort zum Schluss
Ich hoffe, niemand trachtet mir nach meinen Worten mehr nach meinem Leben als zuvor. Darüberhinaus muss ich gestehen, dass dieser Beitrag einiger Anstrengungen meinerseits bedurfte. Zu meiner Enttäuschung und meinem großen Bedauern scheinen sich die meisten Völker in den vergangenen Mondläufen einfach nicht lächerlich aufgeführt zu haben. Das empfinde ich als äußerst tadelnswert und als Beleidigung meines Berufsstandes! Ich ersuche euch also inständig: Lasst einem armen Narren doch sein täglich Brot und tretet aus Mitleid in den nächsten Fettnapf, den ihr finden könnt. Ihr Völker, frönt dem Unsinn und der Albernheit! Ihr würdet einen kleinen Schelm sehr glücklich machen.

In diesem Sinne:
Gehabt euch wohl und auf baldiges Wiederlesen!

Siehe auch: