Die Glut in der Tiefe

Eine alte Sage aus den frühen Tagen der Nor’Davara

Es war zur Zeit des ersten Schweigens, als selbst die Berge das Lied der Hämmer vergessen hatten. Die Flammen in den Schmieden waren zwar noch warm, doch leer an Geist, ganz so, als hätten die Ahnen ihr Wissen mit sich genommen. Kälte herrschte nicht nur in den tiefen Wegen der unteren Ebenen, sondern auch in den Händen der Schmiede. Kein Glanz lag mehr auf Klingen, kein Stolz mehr im Stahl.

Doch ein junger Zwerg namens Rakhan vernahm etwas, das andere nicht hörten. Ein Flüstern in alten Liedern, ein Pulsieren in vergessenen Runen. Ihn trieb kein Ruhm, sondern das Sehnen nach dem verlorenen Herz des Handwerks. Es trieb ihn hinein in den Berg, in dessen Tiefen kein Licht drang und keine Karte wies.

Tage wurden zu Nächten und Nächte zu Dunkelheit ohne Namen. Doch Rakhan folgte Zeichen, die nicht aus Tinte bestanden, sondern aus Klang und Kälte. Tief unter allem, was aus Stein geboren war, stieß er auf eine Kammer aus uraltem, glasigem Eis. So alt, dass selbst das Schweigen dort ehrfürchtig klang. Wer es berührte, weckte Töne, die wie Stimmen der Vorzeit durch das Gestein zogen.

Dort, in vollkommener Einsamkeit, fernab von Zeit und Sprache, begann Rakhan zu schmieden. Kein Feuer loderte. Da war nur eine unsichtbare Glut, genährt durch Wille und Erinnerung. Mit nichts als einem Hammer, alten Liedern und dem Frost in seinen Adern formte er eine Klinge aus dem innersten Eis: Nor’Dranor, das erste Froststahl-Schwert.

Als der letzte Schlag erklang, erwachte etwas. Keine Flamme, kein Licht, sondern ein Leuchten im Gestein, ein inneres Glimmen, das nie wieder verging. Es wird gesagt, dass in jener Stunde die wahre Schmiedekunst der Davara neu geboren wurde.

Rakhan selbst wurde nie mehr gesehen. Manche flüstern, er sei mit der Klinge eins geworden. Andere sagen, er sei fort, um das nächste Feuer zu entfachen.

Und so spricht man leise unter den Schmieden:
„Wenn dein Hammer seltsam klingt und die Glut von allein erwacht, dann lauscht dir vielleicht einer, der nie zurückkehrte.“

Niedergeschrieben von Grinor Feuerbart
Davararischer Liederschmied des Reiches Nor’Davara.
Vorak Tir – Vorak Mirgor / 26. Mondlauf nach dem Nebel

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