Die Reichsgründung der Sāndari‘Māna

Das gleißende Licht hatte sie alle geblendet – sein Feuer tanzte immer noch als Nachbild in den Augen der Versammelten, feine Ascheflocken tanzten hektisch umher. Der Donner folgte schneller als die Wüstenspinne ihre Beute anspringt, und er war ohrenbetäubend. Vor Angst hatten sich einige zu Boden geworfen, während andere erstarrt waren, als sei die Naturgewalt geradewegs durch sie hindurchgefahren.

Nach aller Logik hätte nun der unselige Streit weitergehen müssen, den sich unsere Väter einmal mehr um das karge Wasserloch geliefert hatten, bis der Himmel selbst dazwischengefahren war. Streit, wessen Sippe und wessen Tiere ihren Durst zuerst stillen dürften. Streit, der die Kinder des Sandes seit zahllosen Monden daran hinderte, über sich selbst hinauszuwachsen und etwas von Dauer zu schaffen. Ich sehe die Frage in Deinen Augen, Kind: Kinder des Sandes ist der Name, den die versprengten Sippen trugen, bevor sie im Sāndari’Māna aufgingen.

Doch davon war noch nicht die Rede – im Gegenteil waren die Sippen drauf und dran, ein weiteres Mal ihre Existenz aufs Spiel zu setzen, konnte doch jede Fehde unter den harten Bedingungen der Wüste zur letzten für alle Streithähne werden. Müde von einer zehrenden Reise durch heißen Sand unter der unbarmherzigen Sonne waren alle von ihnen bereit, ihren Vorteil mit Faust und Stein gegen die anderen zu behaupten oder zu erkämpfen.

Und so wäre es auch gekommen – hätte der Himmel nicht ein Machtwort gesprochen. Durch den Schreck war Unordnung in die Reihen eingebrochen, waren die klaren Fronten verschwommen, hatten Feinde sich hilfesuchend aneinander geklammert. Wären sie zur Besinnung gekommen, wären sie sicher zu ihrem blutigen Vorhaben zurückgekehrt, doch hatten einige unserer Ältesten den Wink des Schicksals verstanden.

Über die plötzliche Stille hinweg erhoben sie, die sie feindlichen Sippen angehörten, vereint ihre Stimmen, bevor das Unheil seinen Lauf nehmen konnte: „Haltet ein – der Donnerkeil des Himmels wird alle treffen, die es wagen, ihre Hände gegeneinander zu erheben. Friede ist geboten, und es ist nicht an uns, diesen zu verletzen. Lasst den Ort dieses Geschehens zum Samen einer Gemeinschaft werden und die Wanderschaft und die Zwistigkeiten beenden.”

Und siehe, es geschah! Den Ort kannst Du immer noch sehen, hat die himmlische Mahnung doch ein Zeichen in den Sand gebrannt, das überdauern wird. Im Zentrum unserer Siedlung ziert es den Boden – denk an meine Worte, wenn Du das nächste Mal dort vorbeikommst: „Dies ist der Ursprung unserer Gemeinschaft!“

Geschichtenerzähler der Sāndari’Māna, neuzeitlich

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