Die Tänzerinnen des Vetter Wind

„Inmitten der endlosen Weiten der Wüste, wo der Sand wie flüssiges Gold in der Sonne glitzert, lebten die Kinder der Sande, die Kinder von Vater Sonne und Mutter Donner. Ihr Leben war geprägt von den Launen des Windes, den sie Vetter Wind nannten – ein launenhafter, aber mächtiger Gott, der die Dünen formte und ihre Geschichten trug.

Es heißt, dass Vetter Wind einst 5 Familien besonders ehrte und ihren Töchtern die Kunst des Tanzes lehrte. Diese Frauen, genannt die 7 Töchter der Wüste, wurden zu den ersten Tänzerinnen des Vetter Wind. Mit ihren Bewegungen ahmten sie die Wirbelstürme nach, malten mit ihren Körpern Bilder in die Luft und erzählten Geschichten von Liebe, Verlust und der ewigen Schönheit der Wüste. Einen einzigen Preis mussten sie für diese Gabe zahlen: Nie wieder durften sie zusammen an einem Ort tanzen, im Ebenbild der Winde, die sich aneinander brechen, doch nie miteinander fliegen.

Eines Tages, als die Sonne erbarmungslos auf die ausgedörrte Erde brannte, versammelten sich die Menschen um eine Oase, an der 2 Dattelpalmen Schutz vor der Hitze spendeten. Die Wasservorräte waren knapp, und die Stimmung gedrückt. Da traten die Tänzerinnen des Vetter Wind hervor. 6 an der Zahl, denn eine gedachte der Mahnung ihres göttlichen Lehrers und mischte sich unter die Zuschauenden.

Im wirbelnden Sand begannen sie ihren Tanz. Ihre Gewänder in 3 Farben schimmerten in der Sonne, als sie sich drehten und sprangen. Ihre Bewegungen waren so anmutig und kraftvoll, dass die Menschen ihre Sorgen vergaßen und von der Schönheit des Augenblicks gefesselt waren.

So mitreißend tanzten sie, dass die eine, die fern geblieben war, nicht an sich halten konnte und sich in der Menge im Takt der Tanzenden wiegte und ihren Rhythmus aufnahm. Da wehte plötzlich ein kühler Windstoß durch die Oase. 1 Regentropfen fiel vom Himmel und landete auf dem ausgetrockneten Boden. Die Menschen staunten und jubelten, denn sie erkannten darin ein Zeichen von Kāla’Arai, dem Wassergeist.

In der Folge ergoss sich ein 8-tägiger Regen über die Wüste, und die Oasen füllten sich wieder mit Wasser, während die Tänzerinnen wie im Wahn weiter tanzen. Die Menschen dankten ihnen und Vetter Wind, denn sie hatten ihnen nicht nur Freude und Hoffnung gebracht, sondern auch den Segen des Wassers beschert. Die Geschichte von den Tänzerinnen des Vetter Wind wird bis heute von den Sāndari’Māna erzählt und erinnert sie an die 4 Elemente, die ihr Leben bestimmen: Sonne, Wind, Wasser und Sand, auf denen ihre Gemeinschaft fußt.

Die Tänzerinnen aber waren Vetter Wind ungehorsam gewesen, weil sie seine Worte, niemals zusammen zu tanzen, missachtet hatten. Und auch wenn er sah, dass den Menschen, die er auf seine Weise liebte, dadurch ein Segen zuteil geworden war, blies er doch die Backen auf und schalt die sich immer noch Wiegenden für ihren Ungehorsam. Brüllend fuhr der Hauch seiner Stimme zwischen sie, und sie drehten sich schneller und schneller, bis sie ganz zu seinen Geschöpfen geworden waren: Als Windteufel, das sind wirbelnde Stürme, die durch die Wüste ziehen, stoben sie auseinander, und Vetter Wind selbst, so sagt man, lenkt ihre Wege, so dass die einander nie wieder begegnen – denn wie ein König, so wacht auch ein Gott darüber, dass seine Regeln Gesetz sind.

Nun sagt, Xerthus, den man den Spieler nennt – sagt Euch diese Geschichte zu?“

Lunai’Arai’Mana, Geschichtenerzählerin der Sāndari’Māna

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