An den geehrten Rat der Ältesten,
es ist mir eine unerwartete Ehre, Euch auf diese ungewohnte Weise, durch geschriebene Worte, Bericht zu erstatten. Doch ich erkenne die Weisheit in Eurem Wunsch, die Kunde meiner Reise dauerhaft festzuhalten, wie es einst der Donnerkeil am Ort unserer Gründung getan hat.
Wie Ihr wisst, führte mich Vetter Wind im Bogen zurück in Richtung der Hauptstadt, in ein Gebiet, das wir Arai’Dun tauften – die „Winddüne“: Die Landschaft dort ist so veränderlich wie die Launen des Windes selbst. Die Dünen wandern mit jedem Sturm, und selbst erfahrene Kundschafter können sich in diesem Labyrinth aus Sand verlieren, konnte sich doch schon mittags ein völlig gewandeltes Bild zeigen als am Morgen des Aufbruchs. Tagelang irrten wir durch die Wüste, die Sonne brannte auf unsere Haut, und der Durst nagte an uns. Unsere Wasservorräte schwanden, und die Moral der Truppe sank. Mehr als einmal glaubten wir, Vetter Wind hätte uns im Stich gelassen.
Am Ende unserer Hoffnung schlugen wir ein Lager auf. Am nächsten Morgen hatte der Wind den Blick auf eine Siedlung freigemacht, deren Behausungen so gebaut waren, dass sie durch den Sand gezogen werden konnten. Wir wagten uns vor trafen auf Bewohner, die uns in Gestalt und Tracht gleichen – bis hin zum Material ihrer Behausungen, das sich aus denselben Quellen zu speise scheint wie unsere. Sie nennen sich und ihre Siedlung Vēra’Arai’Rih, die „Macht des Windvaters“. Diese Gemeinschaft reist durch die Wüste, ihre Zelte sind leicht und mobil – und ihre Besitzer sind stark und ausdauernd.
Was diese Gemeinschaft so besonders macht, ist ihr Verständnis des Windes. Sie lesen die Zeichen im Sand, spüren die feinsten Veränderungen in der Luft und können so die Bewegungen der Dünen vorhersehen. Sie kennen Vetter Wind nicht nur als launenhaften Gott, sondern als „Windvater“, dessen Stimme sie zu verstehen gelernt haben, und verehren ihn unter allen Geistern und Göttern am meisten. Dank ihres Wissens konnten sie uns nicht nur Wasser und Nahrung anbieten, sondern uns auch sicher durch Arai‘Dun führen. Ich habe viel von ihnen gelernt und staune über ihre Fähigkeit, mit dem Wandelbaren zu leben, anstatt dagegen anzukämpfen.
Sie haben beschlossen, sich der Sāndari’Māna anzuschließen, auch wenn ich nicht sicher bin, ob sie wirklich verstehen, was das bedeutet. Doch ich glaube, dass sie eine Bereicherung für unsere Gemeinschaft sein werden. Sie bringen wertvolles Wissen und eine neue Perspektive auf die Welt mit.
Ich werde bald nach Shānti’Kāla zurückkehren, um Euch persönlich von meinen Erlebnissen zu berichten. Bis dahin mögen die Götter Euch beschützen.
Arinai’Tor