Erzählung eines Davara aus Nor’Mirak
Obwohl das Dorf direkt vor uns lag, am Fuße des Hügels, auf dem wir unser Lager aufgeschlagen hatten, war es kaum zu erkennen. Der Nebel hing wie ein lebendiges Biest über den Häusern, so dicht, dass selbst unsere scharfen Zwergenaugen kaum weiter als ein paar Schritte sahen. Niemand wusste genau, woher die Kreaturen kamen, die im Nebel lauerten. Sie schlugen schnell zu und hinterließen nur stumme Zeugen ihres Tuns.
Die Stimme von Generalin Jandra Schwarzauge, unserer Anführerin, einer Zwergin aus Stahl und Stein, die durch ihre bloße Anwesenheit Mut unter uns verbreitete, klang an diesem Abend leise, ihre Worte sorgsam gewogen. Sie sprach mit General Hadrak Windbrecher, einem hageren, aber sturen Zwerg, bekannt für seine Hartnäckigkeit und seine Kampfkünste. Ich war in der Nähe, als der Streit ausbrach.
Der Abend war still, abgesehen von den gedämpften Klängen von Waffen, die geschärft wurden, und dem beharrlichen Knistern der Feuer. So war Hadraks Stimme nicht zu überhören, als er mit Jandra sprach.
„Das ist Wahnsinn, Jandra! Reiner Wahnsinn! Der König erwartet, dass ich nach Nor’Rakhan zurückkehre, während mein Volk hier steht und kämpft? Während du kämpfst? Das ist eine Beleidigung!“
Jandra verschränkte ihre muskulösen Arme, ihre dunklen Augen ruhten auf ihm.
„Hör auf mit dem Gezeter, Hadrak. Das ist kein Ort für Stolz. Wenn Nolandar Tharn dich zurückrufen lässt, dann folgst du dem Befehl. Wir stellen keine Fragen, wir gehorchen.“
Hadrak stampfte mit dem Fuß auf, sodass der Boden unter uns leicht bebte.
„Gehorchen? Ich habe den Nebel gesehen, Jandra! Ich habe die Kreaturen gespürt! Die verfluchten Biester hassen alles, was atmet und sie werden uns verschlingen, wenn wir nicht zusammenstehen. Du weißt, dass ich recht habe!“
Jandra blieb ungerührt, wie ein Granitblock im Sturm.
„Wir haben genug kampferprobte Krieger, um das Dorf zu befreien. Dein Platz ist jetzt in Nor’Rakhan. Du musst Verstärkungen sichern, falls die Lage hier schlimmer wird. Glaubst du, ich will, dass du gehst? Aber ich brauche dich dort.“
„Nor’Rakhan!“ knurrte Hadrak und schüttelte den Kopf. „Du weißt genauso gut wie ich, warum der König mich dorthin schickt. Er hat Angst! Angst, dass ich ein Heer gegen ihn stelle. Und was bleibt dir hier, Jandra? Eine Handvoll Veteranen und ein Haufen Grünbärte gegen das, was im Nebel lauert?“
Jandra straffte sich, ihre Stimme wie gehärtetes Eisen.
„Was mir bleibt, Hadrak, ist die Disziplin und der Mut, den ich in jedem Einzelnen von ihnen geschärft habe. Und wenn du dich weigerst zu gehen, ändert das nichts. Der König wird seinen Willen durchsetzen, ob dir das passt oder nicht. Gehorsam ist kein Zeichen von Schwäche, Hadrak. Es ist unser Schild.“
Ein langes Schweigen folgte. Nur das Knistern der Feuer war zu hören. Schließlich drehte sich Hadrak um und ging. Sein schwerer Umhang schleifte über den Boden, sein Gang war hart, aber sein Blick dunkel. Ich erinnere mich daran, wie ich in dieser Nacht schlief – oder es zumindest versuchte. Die Unruhe im Lager war greifbar. Viele glaubten, dass Hadrak recht hatte. Wir waren zu wenige. Der Nebel zu unheimlich. Doch Jandra hatte entschieden und ihre Entscheidungen wurden nicht hinterfragt. Nicht von einfachen Kriegern wie mir.
Am nächsten Morgen ritt Hadrak nach Nor’Rakhan. Sein Gesicht war grimmig, als er uns hinter sich ließ. „Kämpft tapfer, Krieger“, grummelte er, als er an mir vorbei ritt.
Ich brachte keinen Ton heraus. Es fühlte sich an, als hätte ich meine Axt verloren, bevor die Schlacht überhaupt begonnen hatte.