Recht und Urteil im Reich Nor’Davara

Mit Auszügen aus dem Vne Tharak – dem Buch der Weisheit

In den dunklen Tagen, als das Volk der Davara noch ohne geeinte Stimme war, kannten wir nur die Blutrache und den langen Schatten des Misstrauens. Es war nicht der König, der uns Recht brachte, sondern der Fels selbst – seine Stille war unser Maß, seine Härte unser Maßstab.

Die ältesten Tafeln der Runenhallen berichten vom ersten Urteilsspruch. Dreizehn Zwerge der verschiedenen Blutlinien sprachen nicht über Schuld, sondern über das, was getan werden müsse, um das Gleichgewicht wiederherzustellen.

Bis heute werden in den Hallen von Nor’Rakhan die Urteile in davararischen Runen auf Tafeln aus schwarzem Stein eingemeißelt. Das Archiv ist heilig. Jeder Zwerg, dessen Name dort zweimal für das gleiche Vergehen erscheint, verliert das Recht, sich ein Davara zu nennen und wird als Ausgestoßener betrachtet, als Durak’Nor – einen Geist des Eises.

Auch jetzt noch, wo wir einen König haben, werden die Urteile von einem Rat aus drei erfahrenen Zwergen gefällt, den so genannten Mirgorn (den Bewahrern). Sie werden aus verschiedenen Clans gewählt, um Voreingenommenheit zu verhindern. Nur bei schweren Vergehen wird der König mit hinzugezogen. Die Mirgorn tragen keine Clansfarben, sondern lediglich ihre Rüstung, einen Mantel aus hellem Fell und eine Kette mit drei Steinringen – für Weisheit, Geduld und Erinnerung.

Es gibt keine Kerker in Nor’Davara. Der Fels ist unsere Grenze, die Pflicht unsere Fessel. Wer schuldig ist, wird der Gemeinschaft nicht entzogen, sondern ihr zurückgegeben. Ein Schmied, der stiehlt, muss einen Hammer für den Bestohlenen schmieden. Ein Krieger, der im Streit jemanden verletzt, dient zukünftig als Schildträger in der vordersten Reihe. Ein Lügner wird Wächter der Archive, bis er die Namen der Ahnen auswendig kennt.

Doch nicht alle Schuld lässt sich in Arbeit wandeln. Für Schwurbruch, Verrat an der Sippe oder Entweihung des Nor’Ron ruht der Weg nur auf einem Pfad: der Gang in den Nebel. In der Nacht des Urteils wird dem Schuldigen ein Runenstein übergeben, gezeichnet mit dem Zeichen des Schweigens. Am folgenden Morgen verlässt er die Halle – allein. Es heißt, wer mit reinem Herzen geht, findet einen neuen Pfad im Nebel. Die meisten aber kehren nie zurück.

Niedergeschrieben von Grinor Feuerbart
Davararischer Liederschmied des Reiches Nor’Davara.
Vorak Tir – Vorak Mirgor / 23. Mondlauf nach dem Nebel

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