Es gibt wohl in jedem Reich Traditionen, Rituale und Angewohnheiten, welche die Zeit überdauern, obgleich jeder im Volk weiß, dass es wohl mehr Aberglaube ist, was dahinter steckt, oder veraltetes Wissen, welches lediglich als Kulturgut bewahrt wird. So verhält es sich auch bei den Vnelayjah oder den Feuerelfen, wie man uns landläufig nennt. Einige der gängigsten Bräuche und Rituale möchte ich gerne hier vorstellen:
Nyrdahlmah – Das Wasser aus dem Schatten

Der Name dieses Rituals bedeutet übersetzt einfach so viel wie “Schattenwasser”. Es ist der Brauch, Trinkgefäße nur im Schatten zu öffnen, insbesondere wenn man das Getränk einer anderen Person anbietet. Manche glaubten in früheren Zeiten, dass Wasser oder auch andere Getränke, ihre Seele verlieren, wenn man sie ohne Vorwarnung dem direkten Sonnenlicht aussetze. Man sagte, seelenloses Wasser zu trinken “versande das Herz”. Daher gab man der Flüssigkeit einen Augenblick Zeit, ihre Seele zu verschließen, ehe man sie der unbarmherzigen Wüstensonne aussetzte.
Obgleich sich dieser Glaube als nicht fundiert erwiesen hat, gilt es noch immer als gute Etikette, Gästen nur im Schatten geöffnete Getränke anzubieten. Auch Wüstenwanderer haben die Angewohnheit eine schützende Hand über die Öffnung ihrer Lederschläuche zu halten, ehe sie den Verschluss lösen.
Vnehamashyah – Die Besänftigung des Herdfeuers
Übersetzt bedeutet dieser Brauch so viel wie “Feuerflüstern”. Nicht nur unsere höchste Göttin Vnelyra, sondern auch das Feuer selbst wurde als lebendige Gottheit verehrt, die mit großem Respekt behandelt werden musste. So etablierte es sich, jeder Flamme – egal wie klein – gut zuzureden. Auch wenn heute niemand mehr ernsthaft befürchtet, den Zorn des Feuers oder unserer höchsten Göttin auf sich zu ziehen, wenn man ein Lagerfeuer oder eine Lampe entzündet ohne die Flamme gebührend anzusprechen, gibt es noch immer die Angewohnheit während dem Entzünden oder Löschen einer Kerze, dem Anfeuern eines Kamins oder einfach während des Kochens mit dem Feuer zu reden – oftmals mehr wie mit einem Haus- oder Nutztier oder auch einem alten Freund als wie mit einer Gottheit. Häufige Aussprüche sind hier etwa “Komm, lass dich füttern.”, “Jetzt werd doch nicht zornig!”, “Danke für deine Gesellschaft / deine Hilfe.”, “Schluss, du hast genug gefressen.” oder einfach “Schön, dass du uns besuchst.”
Hralidnavash – Das Antreiben des Windes
Der Name dieses Brauchs lautet in der Übersetzung “Ascheblasen” oder “Aschepusten”. Früher glaubte man, dass ein „erstarrter Wind“ Vorbote eines Sandsturms sei – man müsse ihn „neu anstoßen“. Man nimmt dazu eine Prise kalte Asche oder zur Not auch Sand, pustet sie in die Luft und murmelt „Sahyri“, was so viel wie “Geh weiter” bedeutet. Auch diese Tradition wird von Wüstenwanderern noch immer praktiziert, obgleich niemand wirklich daran glaubt, dass es eine Auswirkung hat.
Yshahl Am’Qhalymai – Das Zeugnis durch das Feuer
Diese Tradition ist in ihrer ursprünglichen wie auch in abgewandelter Form nach wie vor sehr lebendig in unserem Volk und ihr Name bedeutet so viel wie “Das Entzünden der Worte”. Wenn etwa eine wichtige Verhandlung zwischen zwei Parteien stattfindet, ein Bündnis geschlossen werden soll oder eine andere wichtige Unterredung stattfindet, wird zuvor ein Feuer in Anwesenheit aller Beteiligten entzündet. Dies geschieht insbesondere, wenn der Unterredung eine große Tragweite beigemessen wird. Die Person, welche das Feuer entzündet, spricht dabei die Worte “Sieh mich / uns, Flamme, und sei Zeugin dieser Worte.”, worauf eine Person aus der anderen Partei antwortet “Ich trete / wir treten in dein Licht, nicht in deinen Schatten”. Durch diesen Wortwechsel wird bekräftigt, dass man die Wahrheit spricht und das Gesagte bindend ist. Früher glaubte man, dass das Feuer zuhörte und sollte die Unwahrheit gesprochen werden oder jemand sich nicht an das Vereinbarte halten, die betreffende Person einen schweren Schicksalsschlag zu befürchten hätte – in aller Regel durch ein Feuer verursacht. Auch wenn dies niemand mehr wirklich glaubt, gehört es dennoch dazu, diese Tradition bei entsprechenden Anlässen zu befolgen.
Davon abgeleitet hat sich der Händlergruß “Yshahl”, was “Zündung/Entzünden” bedeutet, entwickelt. Bevor man ein Geschäft eingeht oder manchmal auch nur als Zeichen, dass man ehrlich und verbindlich sprechen will, reibt man seine beiden Zeigefinger aneinander – was den Akt des Feuermachens symbolisiert – woraufhin die andere Person mit derselben Geste antwortet. Diese zeitgenössischere Variante findet häufiger Anwendung, da sie einfacher handzuhaben und auch bei kleineren Geschäften an einem Marktstand praktikabel ist. Manchmal grüßen sich auch Händler untereinander auf diese Weise, welche schon viele gute Geschäfte miteinander gemacht haben, um sich ihr Vertrauen und ihr Wohlwollen zu zeigen.
Vnashuyjun – Die göttliche Zeichnung

Dies ist ein Ritual, welches noch immer sehr hohen traditionellen Stellenwert hat und übersetzt “Flammenauge” bedeutet. Dabei wird ein tropfenförmiger Rubin mit besonderem Baumharz auf der Stirn einer Person befestigt, welche kurz davor ist, eine hohe Weihe zu empfangen – etwa die eines Feuerpriesters oder der Hal Am’Vnelayjah. Der Ursprung des Rituals liegt darin, dass man die erwählte Person für die Feuergöttin kennzeichnete. Eine beinahe schon widersinnige Idee, da zum einen die Person ja durch die Gottheit selbst erwählt wurde und zum anderen eine Gottheit nicht auf eine solche Kennzeichnung angewiesen sein dürfte. Doch der symbolische Charakter dieses Aktes ist so sehr verankert, dass er noch immer bei jeder entsprechenden Weihe praktiziert wird.
Mhadadali Al’Thuarab – Der Dank an die Erde
Dieser Brauch bedeutet übersetzt “Krümel für die Erde / das Land”. Der letzte Bissen einer Mahlzeit wurde früher traditionell „der Erde zurückgegeben“, damit das Land nicht beleidigt sei. Heute wird diese Tradition zwar als etwas altbackenes Brauchtum respektiert, aber doch eher belächelt – insbesondere unter der Stadtbevölkerung. Sie wird nur von älteren und sehr traditionellen oder abergläubischen Vnelayjah praktiziert. Manche schämen sich wohl dafür, diesem Brauch noch immer anzuhängen, und verstecken die Reste während eines Festes unter ihrem Teller bis das Essen endet oder lassen sie heimlich in einer Tasche oder einem Beutel verschwinden, um sie später ungesehen in der Erde zu vergraben.
Mahybahararym – Die Bekundung der Liebe
Dieser Brauch, welcher übersetzt “Liebesglut” bedeutet, wird häufig von jungen Vnelayjah zur Liebeserklärung oder bei anderen romantischen Gelegenheiten praktiziert, aber auch von Personen, welche schon eine lange Liebesbeziehung führen, um diese zu würdigen oder zu erneuern oder sich einfach an diesem gemeinsamen Glück zu erfreuen. Dies ist der wohl modernste Brauch, welcher nicht wirklich einen veralteten oder abergläubischen Ursprung hat, auch wenn manche glauben, dass dieses Ritual die Liebe an sich stärkt, was sicher nicht verkehrt ist – auch wenn es nicht unbedingt etwas Übernatürliches ist, was diese Verstärkung bedingt, als vielmehr die Verbundenheit, welche durch die Geste an sich bestärkt wird. Die beiden Liebenden bringen jeweils einen entflammbaren Gegenstand zu ihrem Treffen mit, wie etwa eine schöne Blume, ein Stück Duftholz, ein wohlriechendes Öl oder Kraut oder ein besticktes Stück Stoff. Dann wird gemeinsam ein Feuer entzündet und die beiden Dinge werden gemeinsam hineingegeben. Wer es besonders rituell oder einfach nur sehr romantisch mag, ergänzt den Vorgang um die traditionellen Worte. Dabei spricht die Person, welche das Feuer entzündet “Ich brenne nicht, um dich zu verzehren.” und die andere Person antwortet “Ich brenne, um mit dir zu leuchten.” Dann werden die Stücke gleichzeitig ins Feuer gelegt, und beide beugen sich darüber, um den aufsteigenden Rauch gemeinsam einzuatmen. Dabei folgt der gemeinsam gesprochene Satz: „Zwei Funken, ein Atem – so möge uns nichts trennen, was nicht auch das Feuer selbst trennt.“
Es gibt gewiss noch viele andere Traditionen in unserem Volk, welche mit Tod, Geburt, Saat und Ernte, bestimmten Festlichkeiten oder religiösen Themen zusammenhängen. Doch ich hoffe, auf diese Weise und durch diese kleine Auswahl einen ersten Einblick in das Brauchtum meines Volkes geben zu können.
niedergeschrieben von Alsyn Bennev Seannyal Ratsmitglied für Kultur und Gemeinschaft des Reichsrates von Al‘Umbryjil im 23. Mondlauf nach der Asche