Die Geschichte
Einst war der Kataklysmus. Dann der Aschenebel. Dann zog sich dieser allmählich zurück und einst mächtige Reiche tauchten wieder auf, bereit, den ihnen zustehenden Platz in der Welt wieder einzunehmen.
Und eine Weile später waren plötzlich auch die Merian da. Oder vielleicht waren sie schon vorher dagewesen, aber niemand hatte sie bemerkt. Sie sind kein Volk, das die Aufmerksamkeit anderer Völker auf sich zieht, und ebenso wenig wollen sie selbst solche Aufmerksamkeit.
Gärten und Häuser
Höchstes Glück der Merian sind ausgedehnte Mahlzeiten im Kreis von Freunden. Sie sind deshalb sehr erfahren und erfolgreich im Anbau von Nahrungsmitteln aller Art.
Doch genau so wichtig ist ihnen die Pflege ihrer meist grossen Gärten. Sie erfreuen sich an Vielfalt und Farbenpracht ihrer Blumen beinahe so sehr wie an Essen und Trinken.
Eine weitere Leidenschaft der Merian mag für andere Völker ungewöhnlich scheinen.
Ihre Häuser, auf deren Bequemlichkeit sie grossen Wert legen, erscheinen ihnen nie als abgeschlossene Werke, sondern werden von ihnen permanent weiter- und umgebaut. Dabei reissen sie auch ohne weiteres Räume wieder ab, die ihnen nicht mehr gefallen und für die sie keinen Bedarf mehr haben, denn allzu grosse Häuser entsprechen nicht ihrem Geschmack. Manch altes Merian-Haus ist dadurch in seiner Geschichte über ein Grundstück „gewandert“ und kein Teil von ihm steht heute noch auf dem Boden, auf dem es ursprünglich entstanden war. Entsprechend grosse Geschicklichkeit haben sie auch in der Tätigkeit des Häuserbaus entwickelt.
Auch die einzigen Ämter in ihrem Reich rühren von diesen Vorlieben her. Doch dazu ein andermal mehr.
Grünland?
Das Land der Merian hat natürlich einen Namen, respektive es hatte einen in früheren Zeiten vor dem Kataklysmus, als es gross und mächtig war. So sagen die Bewahrer, die sich mit solchen Fragen beschäftigen. Die Bewahrer schweigen dazu, wie dieser Name lautete, ebenso auch dazu, wie sich die Grösse und Macht des Landes manifestierte. Insbesondere schweigen sie dazu, woher sie etwas über die Zeiten vor dem Kataklysmus wissen. Aber sie bestehen darauf, dass nur der frühere Name angemessen ist zur Bezeichnung des jetzt wieder erwachenden Landes der Merian. Da dieser aber nun mal nicht bekannt ist, hat das Land eben keinen Namen.
Die Merian haben indes eine gehörige Portion Pragmatismus. Und da ihr Land zu einem guten Teil aus Äckern und Gärten besteht – und aus Wäldern, aber dazu ein andermal mehr – und also sehr grün ist, haben manche angefangen, es schlicht Grünland zu nennen. Natürlich ist das kein offizieller Name, denn das wäre ja laut den Bewahrern nicht angemessen. Der Name wird nur einfach im Alltag verwendet.
Die Unruhe
Die Merian sind ein sehr sesshaftes Volk und haben im Allgemeinen wenig Interesse, andere Länder zu erforschen, andere Völker kennenzulernen oder auch nur mehr über diese zu erfahren.
Im Allgemeinen. Aber immer wieder kommt es vor, dass einzelne Merian von plötzlicher Abenteuerlust gepackt werden und sich aufmachen, über die engen Grenzen des Reiches hinaus Neues zu entdecken. Dieses Empfinden, das die Merian „die Unruhe“ nennen, tritt stets sehr spontan auf, ist dann aber sehr stark und muss zwanghaft befriedigt werden.
Manche verlässt die Unruhe bald wieder, kaum dass sie neues Land jenseits der Grenzen entdeckt haben. Dann lassen sie sich dort nieder und beginnen, das Land zu besiedeln und in typischer Merian-Manier mit Äckern, Gärten und Häusern zu bebauen.
Meist werden sie dabei bald von anderen Merian unterstützt, denn sobald ein neues Land nicht mehr neu und fremd ist, haben auch sesshafte Merian meist nichts dagegen, an einem neuen Ort ihrer Freude am Garten- und Häuserbau zu frönen.
Andere behalten die Unruhe länger und sie ziehen weiter fort. Was aus ihnen wird, ist nicht bekannt, denn sie kehren nicht nach Grünland zurück.
– Rodon, der Schreiber –