„Hört, oh Kinder der Gemeinschaft, die Geschichte der Not der Kinder des Sandes, unseres Volkes in höchster Not, zurück in die Zeit der Asche zu stürzen und als kümmerliche Fragmente unserer Einheit dem Vergessen der Überlieferung anheim zu fallen.
Der Wind, der sonst Geschichten und Wissen durch Arais Willen weiterträgt, weht kalt und peitscht den Wüstensand in unsere Gesichter du nimmt uns die Sicht. Vater Sonne, Rih’Sol, dessen Strahlen uns sonst wärmen und leiten, hat sein Angesicht hinter einem Schleier aus Sand verborgen. Ein Sturm tobt über unser Land, ein Sturm, der länger andauert als je zuvor.
Ist es Vetter Wind, der launenhafte Arai, der diesen Sturm entfacht hat? Oder ist es Mutter Donner, Ina’Rai, die ihren Zorn über uns ausgießt? Nein, Kinder, dieser Sturm kommt nicht von den Göttern. Er kommt aus uns selbst, aus den Herzen der Ältesten in ihrem Rat, deren Mana, deren Seelen, vom Hochmut vergiftet sind.
Erinnert ihr euch an die Geschichten von Arinai’Tor, der starken Beschützerin, und Kiran’Sol, dem Strahl des Lichts? Wie sie neue Stämme in unsere Gemeinschaft führten, wie sie Frieden und Einheit brachten? Doch die Ältesten, die in Shānti’Kāla sitzen, der ersten Siedlung, dem Ort, an dem der Donnerkeil des Himmels unsere Gemeinschaft schuf, haben diese Lektionen vergessen.
Sie sehen nicht die Not der Stämme von Thul’Kāla’Tāri, die von dem Wenigen, das ihnen die Geister gelassen haben, abgeben mussten, um die Expedition zur Aschewacht in Thul’Arai’Tor zu ermöglichen, auf deren Früchte sie bis heute warten. Sie hören nicht die Klagen derer, die in verlassenen Siedlungen wie Kāla’Mana’Thul Schutz suchen. Blind sind sie für die Bedürfnisse all jener, die nicht in Shānti’Kāla geboren wurden.
Wir, die Geschichtenerzähler, die Bewahrer der Legenden, wir haben versucht, ihnen die Augen zu öffnen. Mit unseren Geschichten, unseren Liedern, unseren Mythen haben wir versucht, die Samen der Wahrheit zu säen. Wir haben von der Not des Volkes erzählt, von der Ungerechtigkeit, von der Notwendigkeit, zusammenzuhalten. Doch die Ältesten wollen die Wahrheit nicht hören. Sie fürchten unsere Worte, denn sie könnten ihre Macht gefährden. Und so haben sie beschlossen, uns zum Schweigen zu bringen.
Sie schicken die Söhne und Töchter ihrer Stadt aus, um uns zu jagen, uns zu vertreiben, uns zu töten. Vater Sonne, entsetzt über die Grausamkeit seiner Kinder, verbirgt sein Antlitz, während Großvater Sand sein Trauergewand im Lebensrot unserer Freunde färbt und sie im Jenseits empfängt. Nur wenige Mutige unter den Ältesten wagen es, sich der Mehrheit im Rat entgegenzustellen. Shan’Mana, dessen Mana, dessen Seele, die Grausamkeit nicht erträgt, wendet sich ab und zieht sich in die Einsamkeit der Wüste zurück. Kāri’Mana’Arai, die jüngste unter den Ältesten, erhebt ihre Stimme gegen die Verfolgung – umsonst. Mehr noch: Auch sie wurde verstoßen, ist im Rat und der Stadt nicht mehr willkommen.
Und so sind wir nun auf der Flucht. Gejagt von jenen, die uns zum Schweigen bringen wollen. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf. Solange unser Mana, unsere Seelen, leben, werden wir die Geschichten unseres Volkes erzählen. Wir werden die Wahrheit verbreiten, selbst wenn es uns das Leben kostet.
Denn wir glauben daran, dass Vater Sonne eines Tages, wenn wir gelernt haben, sein Antlitz wieder enthüllen wird. Dass der Sturm vorüberziehen wird, und dass Shan, der Friede, wieder in unser Land einkehren wird. Aber bis dahin müssen wir stark sein, müssen wir zusammenhalten und dürfen niemals die Geschichten vergessen, die uns verbinden.
Denkt daran, Kinder der Gemeinschaft: Die Wahrheit ist wie ein Samen. Er mag klein und unscheinbar sein, aber er trägt das Versprechen für großes Wachstum in sich. Lasst uns die Samen der Wahrheit weitertragen, auf dass sie eines Tages in fruchtbarem Boden fallen und in den Trümmern des Alten ein neuer Baum des Friedens aus ihnen erblüht.“
Geschichtenerzähler der Sāndari’Māna, neuzeitlich