Der Nebel vergisst nicht

Ich habe immer gedacht, dass Krieger wie wir nicht so leicht Angst kennen. Wir sind Männer, die sich auf das Klingen von Schwertern und das Knirschen von Rüstungen verlassen, die sich in der Hitze der Schlacht beweisen und wissen, dass der Tod immer nur einen Atemzug entfernt ist. Aber der Nebel … dieser verfluchte Nebel … hat uns etwas anderes gelehrt.

Es war eine einfache Mission, ein Auftrag, wie wir ihn dutzendfach erledigt hatten. Garrik, mein Bruder im Geiste und ich sollten die alten Ruinen jenseits des Waldes erkunden. Angeblich gab es dort Spuren einer verlorenen Zivilisation, die sich vielleicht als nützlich erweisen könnten. So wie immer packten wir unsere Schwerter und machten uns auf den Weg, ohne Fragen zu stellen.

Doch als wir den Waldrand erreichten, wurde der Nebel dichter. Anfangs nur ein flüchtiger Schleier, der die Bäume wie graue Gespenster erscheinen ließ. Aber dann … dann verwandelte sich der Nebel in eine Mauer und mit jedem Schritt, den wir taten, verschluckte er mehr von der Welt um uns herum. Bald konnten wir kaum noch die eigenen Hände vor Augen sehen.

“Garrik”, rief ich, als ich ihn kaum noch erkennen konnte. “Wir sollten umkehren.”

Er lachte. “Was ist los, Bruder? Ein bisschen Nebel und du verlierst die Nerven?”

Ich hätte es ihm übel nehmen können, aber ich lachte ebenfalls. So war Garrik. Unerschütterlich, immer einen Witz auf den Lippen, selbst wenn es aussichtslos schien. Doch je tiefer wir in den Nebel gingen, desto unheimlicher wurde es. Die Geräusche um uns herum – das Flüstern der Bäume, das Knacken der Äste – verwandelten sich in etwas Anderes, etwas … Lebendiges. Als ob der Nebel selbst atmen würde.

Und dann hörten wir es. Zuerst ein Kratzen, wie Nägel auf Stein, gefolgt von einem leisen Zischen, das durch den Nebel hallte. Garrik und ich zogen sofort Schwerter, bereit, jedem Gegner entgegenzutreten. Aber was wir sahen … oder besser, was wir nicht sahen, war schlimmer als jeder Feind, dem wir je begegnet waren.

Es waren Schatten, Gestalten, die sich in der grauen Suppe des Nebels bewegten. Sie schienen keine feste Form zu haben, mal groß, mal klein, mal kaum wahrnehmbar. Aber sie waren da und sie kamen näher.

“Garrik”, flüsterte ich diesmal, “das ist nicht normal.”

Er nickte nur, seine Augen weit aufgerissen und für den Bruchteil einer Sekunde sah ich in ihnen etwas, das ich bei ihm noch nie gesehen hatte: Angst.

Die Wesen griffen uns nicht sofort an. Sie lauerten, spielten mit uns. Sie bewegten sich so schnell, dass wir nicht einmal unsere Schwerter gegen sie heben konnten. Manchmal spürte ich eine kalte Berührung an meinem Nacken, als würde mir eine eisige Hand die Haut streifen, aber wenn ich mich umdrehte, war da nichts.

Und dann schlugen sie zu.



 

Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Es war, als ob der Nebel selbst uns verschlingen wollte. Garrik kämpfte wie ein Wahnsinniger, schlug in alle Richtungen, seine Klinge zischte durch die Luft, doch es war vergebens. Die Nebelwesen waren nicht von dieser Welt. Sie durchdrangen uns und ließen uns die Kälte des Todes spüren.

Ich sah, wie Garrik fiel. Ein Schrei entfloh ihm, als die Nebelwesen seinen Körper durchdrangen. Sein Schwert fiel klirrend zu Boden und er folgte ihm. Ich rannte zu ihm, wollte ihm helfen, doch als ich ihn erreichte, waren seine Augen schon leer. Garrik, der Krieger, der nie Angst gekannt hatte, war tot – und ich war allein.

Ich weiß nicht, wie lange ich dort kniete, neben seinem leblosen Körper, umgeben von den flüsternden Nebelwesen. Sie rührten mich nicht an, aber ihre Stimmen … ihre Stimmen drangen in meinen Kopf. Sie flüsterten Dinge, die ich nicht verstehen konnte, aber die dennoch meine Gedanken vergifteten. Sie lachten, verspotteten mich, zeigten mir Bilder von Garriks Tod wieder und wieder, als wollten sie sicherstellen, dass ich nie vergesse, was sie mir genommen hatten.

Ich weiß nicht, wie ich entkam. Ich erinnere mich nur daran, dass ich irgendwann rannte. Blindlings, ohne Ziel, ohne Plan. Der Nebel lichtete sich nicht, aber ich rannte trotzdem, meine Lungen brannten, meine Beine zitterten, doch ich konnte nicht aufhören. Ich rannte, bis der Nebel mich ausspuckte, als hätte er genug von meinem Leid.

Ich war am Leben.

Aber überlebt habe ich nicht wirklich. Denn jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich sie. Diese Schatten, diese Dinger, die im Nebel lauerten. Und ich höre ihre Stimmen. Sie flüstern immer noch, auch jetzt, während ich dies schreibe.

Ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalten kann. Aber eines weiß ich sicher: Der Nebel wird mich nicht vergessen. Und irgendwann, irgendwann wird er zurückkommen, um mich zu holen.

Vielleicht dann, wenn ich endlich den Verstand verliere.

– Argon Tasaro
Ehemaliger Führer der Garde

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