Seit Tagen trieb ich auf meinem Floß, ohne Anhaltspunkt, ohne Hoffnung. Der Horizont, so weit das Auge reicht, war leer – nur die endlose, monotone Weite des Ozeans. Das salzige Wasser brannte auf meiner Haut, meine Lippen waren aufgesprungen und mein Hals brannte vor Durst. Aber das war nicht das Schlimmste. Es war der Nebel.
Der Aschenebel war immer irgendwo am Rand meines Blickfeldes, eine bedrohliche Wand aus Grau, die langsam aber unaufhaltsam näherzukommen schien. Jede Nacht hörte ich das Flüstern des Windes – ein grausames, unheilvolles Zischen, als würde es mich verspotten. Schlaf fand ich kaum. Selbst wenn ich die Augen schloss, hielt mich die Angst wach, der Nebel könnte mich im Schlaf erwischen und mich verschlucken.
Doch heute Morgen war es anders. Ein Ruck ging durch mein Floß und ich fuhr erschrocken hoch. Meine Hände tasteten ungläubig über die nasse Oberfläche des Holzes. Dann spürte ich Sand. Nassen Sand. Ich hatte tatsächlich Land erreicht.
Ich stieg vom Floß und ließ meine Füße in den Sand sinken. Der Boden fühlte sich fremd an, nach all den Tagen auf dem Wasser. Ich sah mich um. Die Insel war karg, kaum Vegetation, nur einige kahle Sträucher, die sich gegen den rauen Wind stemmten. Doch das Auffälligste war die Statue.
Vor mir erhob sich eine riesige Figur, eine menschliche Frau aus Stein, die mit einem ausgestreckten Arm in die Ferne zeigte. Ihr Gesicht war erhaben und ungerührt und obwohl ich die Richtung nicht bestimmen konnte – der Himmel war immer noch von dichten Wolken bedeckt – hatte ich das Gefühl, dass ihre Geste eine Bedeutung hatte. Wohin zeigte sie? Was sollte ich dort finden?
Am Fuße der Statue fand ich eine kleine Quelle mit kühlem und klarem Wasser. Ich kniete mich nieder und trank gierig. Es war das erste frische Wasser seit Tagen und es fühlte sich gut an, wie das Leben in meinen Körper zurück strömte.
Als ich gerade die Statue näher untersuchen wollte, wurde der Himmel dunkler. Ein unheilvolles Kribbeln lief mir über den Rücken. Der Nebel. Ich blickte aufs Meer hinaus und sah ihn. Eine graue Wand aus Asche näherte sich rasch. Panik ergriff mich.
Ich musste weg. Sofort.
Ohne weiter nachzudenken, stürzte ich zurück zum Floß. Meine Hände zitterten, als ich es ins Wasser zog und mich von der Insel abstieß, meine Augen noch immer auf die Statue gerichtet.
Was hatte sie für eine Bedeutung? Wohin zeigte sie? Ich wusste es nicht und würde es wohl auch nie erfahren.
Nur eines war gewiss: Ich musste vor dem Nebel fliehen. Allein das zählte.
Erzählung eines betrunkenen Seemanns