Die Worte des Einsiedlers Volon

Ich schreibe dies mit dem Nachdruck der Pflicht, die Wahrheit zu berichten, so unglaublich und fremdartig sie auch erscheinen mag. Denn was ich gestern am Rande des Ozeans gesehen und gefühlt habe, darf nicht in der Dunkelheit des Vergessens verloren gehen – nicht für mich, nicht für jene, die nach mir kommen.

Es begann mit einem harmlosen Spaziergang entlang dem Strand einer abgelegenen Küste, die sich durch das silbrig-graue Schimmern ihrer endlosen Weiten auszeichnet. Die Wellen, die dort das Ufer liebkosten, hatten seit jeher etwas Beruhigendes für mich, und so wanderte ich, vertieft in die Betrachtung der abgenutzten Felsen und Muscheln, die das Land säumten. Die Luft war schwer von Salz und Feuchtigkeit, aber es lag eine unerklärliche Unruhe darin, ein unbestimmtes Gefühl, dass etwas Unaussprechliches im Wind lag.

Und da spürte ich es: Ein tiefes Beben unter meinen Füßen, das mich in meiner Bewegung innehalten ließ. Die Felsen und der Boden erzitterten, als ob die Erde sich unter der Last von etwas Gewaltigem krümmte. Aus den Tiefen des Ozeans drang ein Grollen, welches das donnernde Tosen der Brandung selbst übertönte. Ich starrte aufs Meer hinaus. Vor mir, kaum eine Handbreit vom Ufer entfernt, erhob sich etwas aus den Tiefen des Meeres. Zuerst war es nur eine Erhebung, die ich für einen Felsen hielt, doch als sie weiter aus dem Wasser aufstieg, erkannte ich, dass dies keine bloße Laune der Natur war. Es war etwas Lebendiges, etwas Unbegreifliches.

Die riesige, unregelmäßige Form schien aus einer kalkartigen Substanz zu bestehen, die an uralte Korallen erinnerte. Riesige Verästelungen zogen sich über den Körper, an denen Muscheln und Seepocken wuchsen, als hätten sie sich über Äonen hinweg in seine Oberfläche eingebrannt. Unnatürlich groß und unförmig schien es, als ob das Meer selbst einen Teil von ihm geworden war.

Noch bevor ich vollständig erfassen konnte, was vor mir geschah, spürte ich eine Präsenz in meinem Geist. Es war, als würde etwas – oder jemand – sanft, aber unausweichlich nach meinen Gedanken greifen. Ein fremdartiges Bewusstsein drang in mein Inneres, tiefer als alle Worte oder Gedanken, die ich jemals selbst geformt hatte. Doch statt reiner Bilder und Eindrücke, die ich zuvor von den fremden Wesen erwartet hätte, manifestierten sich in meinem Verstand nun klare, eindringliche Worte.

„Fremder, fürchte dich nicht,“ Es klang wie ein Echo, das aus den Tiefen der Ozeane selbst zu kommen schien. „Ich bin die Rasch’Nu, Ursprung meines Volkes.“

Ihre Stimme – ihre Gedanken – waren voller Alter und Weisheit, aber auch von einer Kälte erfüllt, die mich frösteln ließ. Ich wollte etwas sagen, wollte fragen, wer sie war, was sie von mir wollte, doch sie übernahm die Führung des Gesprächs, ohne dass ich überhaupt zu Wort kam.

„Ich habe unzählige Jahrhunderte in der Metamorphose verbracht,“ sprach sie in meinem Geist weiter, und ich sah Bilder von den tiefen Gräben am Grund des Meeres von unbekannten Landschaften, die mich mit Ehrfurcht erfüllten. „Nun ist meine Zeit gekommen. Meine letzte Stufe der Entwicklung ist abgeschlossen. Ich habe diesen Ort gewählt, um mein Volk, die Rasch’Nu, aus mir selbst heraus neu zu erschaffen. Hier wird unsere neue Heimat entstehen, und aus mir werden jene geboren werden, die mit mir herrschen.“

Es war, als ob mein Verstand versuchte, etwas zu fassen, das zu groß war, zu fremdartig. Ihre Worte – diese Gedanken – schufen Bilder in meinem Kopf, von einem Volk, das geformt war wie Teile des Meeres, lebendige Korallenwesen, die sich aus Rasch’Nu selbst zu entfalten schienen und agierten wie tausende Glieder eines einzigen Wesens.

„Du wirst der Überbringer meiner Botschaft sein. Sage den anderen, dass mein Volk nicht in Feindschaft kommt. Doch unsere Existenz ist unausweichlich! Hier wird unser Reich entstehen.“

Mit diesen letzten Worten ließ der Druck in meinem Kopf nach, und ich spürte, wie sich die Verbindung löste. Das Wesen, Rasch’Nu, verschwand langsam wieder in den Tiefen des Meeres, als ob sie nie dort gewesen wäre. Nur das Rauschen der Wellen blieb zurück, aber nichts war mehr wie zuvor.

Ich erwachte in meiner Hütte, ohne zu wissen, wie ich dorthin zurückgekehrt war. Die Zeit schien stehengeblieben zu sein, doch mein Verstand war erfüllt von den Eindrücken, die Rasch’Nu mir hinterlassen hatte. Die Königin eines fremden Volkes hatte sich mir offenbart, und nun liegt es an mir, die Welt darüber zu informieren, dass sich an den sturmumtosten Küsten eine neue Macht erhebt.

Ob dies das Ende oder der Beginn eines neuen Zeitalters ist, kann ich nicht sagen. Doch eines weiß ich: 

Die Rasch’Nu werden kommen, und mit ihnen wird sich alles verändern!

– Inhalt einer Flaschenpost –

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