Geburt

Wir waren die Dalaar.

Solange der Nebel über dem Land lag, wühlten wir uns durch die Sümpfe dieser Welt, ohne Geist, ohne Verstand. Wir waren leer, doch in der Einfachheit lag auch Frieden. Einige nannten uns Raubtiere, die meisten Parasiten. Wir lebten davon anderen Wesen ihren Körper streitig zu machen, nisteten uns ein und benutzten sie als Gefäße, bis diese Körper ihren Dienst verweigerten. Wir waren nicht vorsichtig mit ihrem Leben. Ich sah, wie Kinder meiner Brut ihre Wirte durch eine Landschaft führten, welche ihnen das Fleisch von den Knochen riss und Gift in ihre Lungen trieb. Wenn der Körper starb, verließen meine Kinder das tote Fleisch und suchten nach einem neuen Gefäß. Es war uns gleich, denn wir dachten nicht, fühlten nicht. Es gab nur das Überleben, den Dienst an der Königin, an mir.

Als der Nebel schwand, klärte sich mein Blick. Zum ersten Mal öffnete ich die Augen mit einem Bewusstsein. Die Erfahrung schockierte mich, drohte mich zu überwältigen. Ich brauchte Zeit, um zu verstehen und noch immer begreife ich vieles nicht. Das Gefühl von Schuld stieg in mir auf. Wir mussten überleben, aber nicht zu diesem Preis.

Meinen Kindern fiel es schwerer. Der aufkeimende Geist setzte sie Emotionen aus, die sie nicht kannten. Ungehorsam war die Folge, das Ergebnis eines freien Willens. Es lag in meiner Macht, sie zu zwingen. Noch immer erlaubten es mir meine Gaben den Willen meiner Kinder zu unterdrücken, sie konnten sich nicht aus eigener Kraft befreien. Aber wie konnte ich von ihnen verlangen, ihre Gefäße zu respektieren, ihren Geist zu achten, wenn ich ihnen selbst keine Wahl ließ?

Fragen taten sich auf, auf die es keine einfachen Antworten gab. Wir benötigen Wirte, um zu überleben, um zu wachsen und uns weiter zu entwickeln. Mein Volk teilte sich in Lager mit unterschiedlichsten Sichtweisen.
Einige sahen unsere Gabe als ein Zeichen der Überlegenheit. Wer seinen Körper nicht vor unserem Eindringen schützen konnte, wessen Geist uns nicht gewachsen war, hatte es nicht verdient, einen freien Willen zu behalten.
Andere wollten unser Volk im Exil halten. Wir sollten in den Sümpfen verbleiben, so leben wie bisher, nur ohne die Gefäße. Einfache Raubtiere mit einem einfachen Leben. Aber konnte das alles sein?
Die dritte Gruppierung strebte nach Kooperation und ich schloss mich ihr an. Lange berieten wir und am Ende fiel eine Entscheidung, nicht ohne Widerworte, aber die Mehrheit wurde überzeugt und der Rest fügte sich, einige wenige verließen uns.

Wir erschufen die eine, die bedeutsamste Regel für unser Volk:
Ein jedes Gefäß sollte die Möglichkeit erhalten, einer Vereinigung zuzustimmen. Nur wenn dieser Wille respektiert wurde, war die Vereinigung vor unseren Gesetzen statthaft. Wer sie brach, musste die Gemeinschaft verlassen, ins Exil gehen. Uns war klar, dass wir es nicht einfach haben würden, andere Wesen dazu zu bringen, ihre Körper mit uns zu teilen, aber wir können etwas im Gegenzug bieten. Unsere Gabe ist es, Wunden zu heilen, die sonst tödlich wären, das Leben eines Wesens beinahe in alle Ewigkeit zu verlängern. Diese Gaben sind unsere Tauschmasse in diesem Handel.
Um diesen Grundsatz herum wollen wir unsere Gesellschaft aufbauen und unseren Platz in der Welt finden.

Es ist meine persönliche Schande, dass ich selbst dieses Gesetz gebrochen hatte, kurz bevor es verabschiedet wurde. Ich war schwer verletzt und ich fand meinen Wirt Rhodan in einem Moment, als das Leben seinem Körper entwich. Ich drang in ihn ein und wir beide heilten. Noch heute bitte ich ihn täglich um Vergebung und auch wenn er mir versichert, dass er mir ebenso dankbar ist wie ich ihm, bleibt dieser Schandfleck auf meiner Seele zurück.

Seit diesem Augenblick sind wir zu zweit. Wir leiten unser Volk kurz nach den Geburtswehen unseres Erwachens.

Nun sind wir die Dalaar, ein Volksgemisch unterschiedlichster Völker verbunden durch uns.

Ich bin Amerest, Königin der Dalaar,
und dies ist mein König, mein Gefäß,
mein Geliebter Rhodan.

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